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Aus Karl May "DURCH DIE WÜSTE":

"Wer ist das?"

"Mein Bruder Sadek ist der berühmteste Führer über den Schott Dscherid; er hat noch niemals einen falschen Schritt getan. Er gehört zum Stamme der Merasig und ward geboren von seiner Mutter in Mui Hamed, lebt aber mit seinem Sohne, der ein wackerer Krieger ist, in Kris. Er kennt den Schott, wie kein Zweiter, und er ist es ganz allein, dem ich Dich anvertrauen möchte, Sihdi. Reiten wir direkt nach Kris?"

"Wie weit haben wir noch bis hin?"

"Ein Kleines über eine Stunde."

"So biegen wir jetzt ab gegen West. Wir müssen sehen, ob wir eine Spur der Mörder finden."

"Du meinst wirklich, daß sie auch nach Kris gegangen sind?"

"Auch sie haben jedenfalls im Freien ihr Lager gehalten und werden bereits vor uns sein, um über den Schott zu gehen."

Wir verließen den bisherigen Weg und hielten grad nach West. In der Nähe des Pfades fanden wir viele Spuren, welche wir zu durchschneiden hatten; dann aber wurden sie weniger zahlreich und hörten endlich ganz auf. Da schließlich, wo der Reitpfad nach El Hamma führt, erblickte ich die Fährte zweier Pferde im Sande, und nachdem ich sie gehörig geprüft hatte, gelangte ich zu der Überzeugung, daß es die gesuchte sei. Wir folgten ihr bis in die Nähe von Kris, wo sie sich im breiten Wege verlor. Ich hatte also die Gewißheit, daß sich die Mörder hier befanden.

Halef war nachdenklich geworden.

"Sihdi, soll ich Dir etwas sagen?" meinte er.

"Sage es!"

"Es ist doch gut, wenn man im Sande lesen kann."

"Es freut mich, daß Du zur Erkenntniß kommst. Doch da ist Kris. Wo ist die Wohnung Deines Freundes Sadek?"

"Folge mir!"

Er ritt um den Ort, der aus einigen unter Palmen liegenden Zelten und Hütten bestand, herum bis zu einer Gruppe von Mandelbäumen, in deren Schutze eine breite, niedere Hütte lag, aus der bei unserem Anblick ein Araber trat und meinem kleinen Halef freudig entgegeneilte.

"Sadek, mein Bruder, Du Liebling des Khalifen!"

"Halef, mein Freund, Du Gesegneter des Propheten!"

Sie lagen einander in den Armen und herzten sich wie ein Liebespaar.

Dann aber wandte sich der Araber zu mir:

"Verzeihe, daß ich Dich vergaß! Tretet ein in mein Haus; es ist das Eurige!"

Wir folgten seinem Wunsche. Er war allein und präsentirte uns allerhand Erfrischungen, denen wir fleißig zusprachen. Jetzt glaubte Halef die Zeit gekommen, mich seinem Freunde vorzustellen.

"Das ist Kara Ben Nemsi, ein großer Taleb aus dem Abendlande, der mit den Vögeln redet und im Sande lesen kann. Wir haben schon viele große Thaten vollbracht; ich bin sein Freund und Diener und soll ihn zum wahren Glauben bekehren."

Der brave Mensch hatte mich einmal nach meinem Namen gefragt und wirklich das Wort Karl im Gedächtnisse behalten. Da er es aber nicht auszusprechen vermochte, so machte er rasch entschlossen ein Kara daraus und setzte Ben Nemsi, Nachkomme der Deutschen, hinzu. Wo ich mit den Vögeln geredet hatte, konnte ich mich leider nicht entsinnen, jedenfalls sollte mich diese Behauptung ebenbürtig an die Seite des weisen Salomo stellen, der ja auch die Gabe gehabt haben soll, mit den Thieren zu sprechen. Auch von den großen Thaten, die wir vollbracht haben sollten, wußte ich weiter nichts, als daß ich einmal im Gestrüppe hängen geblieben und dabei gemächlich von meinem kleinen Berbergaule gerutscht war, der diese Gelegenheit dann benutzte, einmal mit mir Haschens zu spielen. Der Glanzpunkt der Halef'schen Diplomatik war nun allerdings die Behauptung, daß ich mich von ihm bekehren lassen wolle. Er verdiente dafür eine Zurechtweisung; daher frug ich Sadek:

"Kennst Du den ganzen Namen Deines Freundes Halef?"

"Ja."

"Wie lautet er?"

"Er lautet Hadschi Halef Omar."

"Das ist nicht genug. Er lautet Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah. Du hörst also, daß er zu einer frommen, verdienstvollen Familie gehört, deren Glieder alle Hadschi waren, obgleich - - -"

"Sihdi," unterbrach mich Halef mit einer ganz unbeschreiblichen Pantomime des Schreckens, "sprich nicht von den Verdiensten Deines Dieners! Du weißt, daß ich Dir stets gern gehorchen werde."

"Ich hoffe es, Halef. Du sollst nicht von Dir und mir sprechen; frage lieber Deinen Freund Sadek, wo sich sein Sohn befindet, von dem Du mir gesagt hast!"

"Hat er wirklich von ihm gesprochen, Effendi?" frug der Araber. "Allah segne Dich, Halef, daß Du derer gedenkst, die Dich lieben! Omar Ibn Sadek, mein Sohn, ist über den Schott nach Seftimi gegangen und wird noch heute wiederkehren."

"Auch wir wollen über den Schott, und Du sollst uns führen," meinte Halef.

"Ihr? Wann?"

"Noch heute."

"Wohin, Sihdi?"

"Nach Fetnassa. Wie ist der Weg hinüber?"

"Gefährlich, sehr gefährlich. Es gibt nur zwei wirklich sichere Wege hinüber an das jenseitige Ufer, nämlich El Toserija zwischen Toser und Fetnassa und Es Suida zwischen Nefta und Sarsin. Der Weg von hier nach Fetnassa aber ist der allerschlimmste, und nur zwei gibt es, die ihn genau kennen; das bin ich und Arfan Rakedihm hier in Kris."

"Kennt Dein Sohn den Weg nicht auch?"

"Ja, aber allein ist er ihn noch nicht gegangen. Desto besser aber kennt er die Strecke nach Seftimi."

"Diese fällt wohl einige Zeit lang zusammen mit der nach Fetnassa."

"Über zwei Drittheile, Sihdi."

"Wenn wir am Mittag aufbrechen, bis wann sind wir in Fetnassa?"

"Vor Anbruch des Morgens, wenn Deine Thiere gut sind."

"Du gehst auch während der Nacht über den Schott?"

"Wenn der Mond leuchtet, ja. Ist es aber dunkel, so übernachtet man auf dem Schott, und zwar da, wo das Salz so dick ist, daß es das Lager tragen kann."

"Willst Du uns führen?"

"Ja, Effendi."

"So laß uns zunächst den Schott besehen!"

"Du hast noch keinen Schott überschritten?"

"Nein."

"So komm! Du sollst den Sumpf des Todes sehen, den Ort des Verderbens, das Meer des Schweigens, über welches ich Dich hinwegführen werde mit sicherem Schritte."

Wir verließen die Hütte und wandten uns nach Osten. Nachdem wir einen breiten, sumpfigen Rand überschritten hatten, gelangten wir an das eigentliche Ufer des Schott, dessen Wasser vor der Salzkruste, die es deckte, nicht zu sehen war. Ich stach mit meinem Messer hindurch und fand das Salz vierzehn Centimeter dick. Dabei war es so hart, daß es einen mittelstarken Mann zu tragen vermochte. Es wurde verhüllt von einer dünnen Lage von Flugsand, welcher an vielen Stellen weggeweht war, die dann in bläulich weißem Schimmer erglänzten.

Noch während ich mit dieser Untersuchung beschäftigt war, ertönte hinter uns eine Stimme:

"Sallam aaleikum, Friede sei mit Euch!"

Ich wandte mich um. Vor uns stand ein schlanker, krummbeiniger Beduine, dem irgend eine Krankheit oder wohl auch ein Schuß die Nase weggenommen hatte.

"Aaleikum!" antwortete Sadek. "Was tut mein Bruder Arfan Rakedihm hier am Schott? Er trägt die Reisekleider. Will er fremde Wanderer über die Sobha führen?"

"So ist es," antwortete der Gefragte. "Zwei Männer sind es, die gleich kommen werden."

"Wohin wollen sie?"

"Nach Fetnassa."

Nun deutete er auf mich und Halef und fragte:

"Wollen diese zwei Fremdlinge auch über den See?"

"Ja."

"Wohin?"

"Auch nach Fetnassa."

"Und Du sollst sie führen?"

"Du erräthst es."

"Sie können gleich mit mir gehen; dann ersparst Du Dir die Mühe."

"Es sind Freunde, die mir keine Mühe machen werden."

"Ich weiß es: Du bist geizig und gönnst mir nichts. Hast Du mir nicht stets die reichsten Reisenden weggefangen?"

"Ich fange Keinen weg; ich führe nur die Leute, welche freiwillig zu mir kommen."

"Warum ist Omar, Dein Sohn, Führer nach Seftimi geworden? Ihr nehmt mir mit Gewalt das Brod hinweg, damit ich verhungern soll; Allah aber wird Euch strafen und Eure Schritte so lenken, daß Euch der Schott verschlingen wird."

Es mochte sein, daß die Concurrenz hier eine Feindschaft entwickelt hatte, aber dieser Mann besaß überhaupt keine guten Augen, und so viel war sicher, daß ich mich ihm nicht gern anvertraut hätte. Er wandte sich von uns und schritt am Ufer hin, wo in einiger Entfernung zwei Reiter erschienen, welche er führen sollte.

"Sihdi," rief Halef. "Kennst Du sie?"

"Ich kenne sie."

"Wollen wir sie ruhig ziehen lassen?"

Er hob bereits das Gewehr zum Schusse empor. Ich hinderte ihn daran.

"Laß! Sie werden uns nicht entgehen."

"Wer sind die Männer?" frug unser Führer.

"Mörder," antwortete Halef.

"Haben sie Jemand aus Deiner Familie oder aus Deinem Stamme getödtet?"

"Nein."

"Hast Du über Blut mit ihnen zu richten?"

"Nein."

"So laß sie ruhig ziehen! Es taugt nicht, sich in fremde Händel zu mischen."

Der Mann sprach wie ein ächter Beduine. Er hielt es nicht einmal für nöthig, die Männer, welche ihm als Mörder geschildert worden waren, mit einem Blick zu betrachten. Auch sie hatten uns bemerkt und erkannt. Ich sah, wie sie sich beeilten, auf die Salzdecke zu kommen. Als dies geschehen war, hörten wir ein verächtliches Lachen, mit welchem sie uns den Rücken kehrten.

Wir gingen in die Hütte zurück, ruhten noch bis Mittag aus, versahen uns dann mit dem nöthigen Proviante und traten die gefährliche Wanderung an.

Ich habe auf fremden, unbekannten Strömen zur Winterszeit mit Schneeschuhen meilenweite Strecken zurückgelegt und mußte jeden Augenblick gewärtig sein, einzubrechen, habe aber dabei niemals die Empfindung wahrgenommen, welche mich beschlich, als ich jetzt den heimtückischen Schott betrat. Es war nicht etwa Furcht oder Angst, sondern es mochte ungefähr das Gefühl eines Seiltänzers sein, der nicht genau weiß, ob das Tau, welches ihn trägt, auch gehörig befestigt worden ist. Statt des Eises eine Salzdecke - das war mir mehr als neu. Der eigenthümliche Klang, die Farbe, die Krystallisation dieser Kruste - das Alles erschien mir zu fremd, als daß ich mich hätte sicher fühlen können. Ich prüfte bei jedem Schritte und suchte nach sicheren Merkmalen für die Festigkeit unseres Fußbodens. Stellenweise war derselbe so hart und glatt, daß man hätte Schlittschuhe benutzen können, dann aber hatte er wieder das schmutzige, lockere Gefüge von niedergethautem Schnee und vermochte nicht, die geringste Last zu tragen.

Erst nachdem ich mich über das so Ungewohnte einigermaßen orientirt hatte, stieg ich zu Pferde, um mich nächst dem Führer auch zugleich auf den Instinkt meines Thieres zu verlassen. Der kleine Hengst schien gar nicht zum ersten Male einen solchen Weg zu machen. Er trabte, wo Sicherheit vorhanden war, höchst wohlgemuth darauf los und zeigte dann, wenn sein Vertrauen erschüttert war, eine ganz vorzügliche Liebhaberei für die besten Stellen des oft kaum fußbreiten Pfades. Er legte dann die Ohren vor oder hinter, beschnupperte den Boden, schnaubte zweifelnd oder überlegend und trieb die Vorsicht einigemale so weit, eine zweifelhafte Stelle erst durch einige Schläge mit dem Vorderhufe zu prüfen.

Der Führer schritt voran; ich folgte ihm, und hinter mir ritt Halef. Der Weg nahm unsere Aufmerksamkeit so in Anspruch, daß nur wenig gesprochen wurde. So waren wir bereits über drei Stunden unterwegs, als sich Sadek zu mir wandte:

"Nimm Dich in Acht, Sihdi! Jetzt kommt die schlimmste Stelle des ganzen Weges."

"Warum schlimm?"

"Der Pfad geht oft durch hohes Wasser und ist dabei auf eine lange Strecke so schmal, daß man ihn mit zwei Händen bedecken kann."

"Bleibt der Boden stark genug?"

"Ich weiß es nicht genau; die Stärke unterliegt oft großen Veränderungen."

"So werde ich absteigen, um die Last zu halbieren."

"Sihdi, thue es nicht. Dein Pferd geht sicherer als Du."

Hier war der Führer Herr und Meister; ich gehorchte ihm also und blieb sitzen. Doch noch heute denke ich mit Schaudern an die zehn Minuten, welche nun folgten; zehn Minuten nur, aber unter solchen Verhältnissen sind sie eine Ewigkeit.

Wir hatten ein Terrain erreicht, auf welchem Thal und Hügel wechselte. Die wellenförmigen Erhebungen bestanden zwar aus hartem, haltbarem Salze, die Thalmulden aber aus einer zähen, breiartigen Masse, in welcher sich nur einzelne schmale Punkte befanden, auf denen Mensch und Thier nur unter höchster Aufmerksamkeit und mit der größten Gefahr zu fußen vermochten. Und dabei ging mir, trotzdem ich auf dem Pferde saß, das grüne Wasser oft bis an die Oberschenkel heran, so daß die Stellen, auf denen man fußen konnte, erst unter der Fluth gesucht werden mußten. Dabei war das Allerschlimmste, daß der Führer und dann wieder auch die Thiere diese Stellen erst suchen und dann probiren mußten, ehe sie sich mit dem ganzen Gewichte darauf wagen konnten, und doch war dieser Halt so gering, so trügerisch und verrätherisch, daß man keinen Augenblick zu lange darauf verweilen durfte, wenn man nicht versinken wollte - es war fürchterlich.

Jetzt kamen wir an eine Stelle, welche uns auf wohl zwanzig Meter Länge kaum einen zehn Zoll breiten, halbwegs zuverlässigen Pfad bot.

"Sihdi, aufgepaßt! Wir stehen mitten im Tode," rief der Führer. Er wandte sich während des Forttastens mit dem Gesichte nach Morgen und betete mit lauter Stimme die heilige Fatcha: "Im Namen des allbarmherzigen Gottes. Lob und Preis Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrscht am Tage des Gerichtes. Dir wollen wir dienen und zu Dir wollen wir flehen, auf daß Du uns führest den rechten Weg, den Weg derer, die Deiner Gnade sich freuen und nicht den Weg derer, über welche - - - "

Halef war hinter mir in das Gebet eingefallen; plötzlich aber verstummten Beide zu gleicher Zeit: - zwischen den zwei nächsten Wellenhügeln hervor fiel ein Schuß. Der Führer warf beide Arme empor, stieß einen unartikulierten Schrei aus, trat fehl und war im nächsten Augenblick unter der Salzdecke verschwunden, die sich sofort wieder über ihm schloß.

In solchen Augenblicken erhält der menschliche Geist eine Spannkraft, welche ihm eine ganze Reihe von Schlüssen, zu denen sonst Viertelstunden oder gar Stunden gehören, mit der Schnelligkeit des Blitzes und tageshellen Deutlichkeit zum Bewußtsein bringt. Noch war der Schuß nicht verhallt und der Führer nicht ganz versunken, so wußte ich bereits Alles. Die beiden Mörder wollten ihre Ankläger verderben; sie hatten ihren Führer um so leichter gewonnen, als derselbe auf den unserigen eifersüchtig war. Sie brauchten uns gar kein Leid zu thun; wenn sie unsern Führer tödteten, waren wir unbedingt verloren. Sie lauerten also hier bei der gefährlichsten Stelle des ganzen Weges und schossen Sadek nieder. Nun brauchten sie nur zuzusehen, wie wir versanken.

Daß Sadek von der Kugel in den Kopf getroffen war, merkte ich trotz der Schnelligkeit, mit der Alles geschah. Hatte die durchfahrende Kugel auch mein Pferd gestreift, oder war es der Schreck über den Schuß? Der kleine Berberhengst zuckte heftig zusammen, verlor hinten den Halt und brach ein.

"Sihdi!" brüllte hinter mir Halef in unbeschreiblicher Angst.

Ich war verloren, wenn mich nicht Eins rettete: noch während das Pferd im Versinken war und sich mit den Vorderhufen vergeblich anzuklammern suchte, stützte ich die beiden Hände auf den Sattelknopf, warf die Beine hinten in die Luft empor und schlug eine Volte über den Kopf des armen Pferdes hinweg, welches durch den hierbei ausgeübten Druck augenblicklich unter den Salzboden gedrückt wurde. In dem Augenblick, während dessen ich durch die Luft flog, hat Gott das inbrünstigste Gebet meines ganzen Lebens gehört. Nicht lange Worte und viele Minuten gehören zum Gebete; wenn man zwischen Leben und Tod hindurchfliegt, gibt es keine Worte und keine Zeit zu messen.

Ich bekam festen Boden; er wich aber augenblicklich unter mir; halb schon im Versinken, fußte ich wieder und raffte mich empor; ich sank und erhob mich, ich strauchelte, ich trat fehl, ich fand dennoch Grund; ich wurde hinabgerissen und kam dennoch vorwärts und ging dennoch nicht unter; ich hörte nichts mehr, ich fühlte nichts mehr, ich sah nichts mehr als nur die drei Männer dort an der Salzwelle, von denen zwei mit angeschlagenem Gewehre mich erwarteten.

Da, da endlich hatte ich festen Boden unter den Füßen, festen, breiten Boden, zwar auch nur Salz, aber es trug mich sicher. Zwei Schüsse krachten - Gott wollte, daß ich noch leben sollte; ich war gestolpert und niedergestürzt; die Kugeln pfiffen an mir vorüber. Ich trug mein Gewehr noch auf dem Rücken; es war ein Wunder, daß ich es nicht verloren hatte; aber ich dachte jetzt gar nicht an die Büchse, sondern warf mich gleich mit geballten Fäusten auf die Schurken. Sie erwarteten mich nicht einmal. Der Führer floh; der Ältere der Beiden wußte, daß er ohne Führer verloren sei, und folgte ihm augenblicklich; ich faßte nur den Jüngeren. Er riß sich los und sprang davon; ich blieb hart hinter ihm. Ihm blendete die Angst und mir der Zorn die Augen; wir achteten nicht darauf, wohin uns unser Lauf führte - er stieß einen entsetzlichen, heiseren Schrei aus, und ich warf mich sofort zurück. Er verschwand unter dem salzigen Gischte und ich stand kaum dreißig Zoll vor seinem heimtückischen Grabe.

Da ertönte hinter mir ein angstvoller Ruf.

"Sihdi, Hülfe, Hülfe!"

Ich wandte mich um. Grad an der Stelle, wo ich festen Fuß gefaßt hatte, kämpfte Halef um sein Leben. Er war zwar eingebrochen, hielt sich aber an der dort zum Glücke sehr starken Salzkruste noch fest. Ich sprang hinzu, riß die Büchse herab und hielt sie ihm entgegen, indem ich mich platt niederlegte.

"Fasse den Riemen!"

"Ich habe ihn, Sihdi! O, Allah illa Allah!"

"Wirf die Beine empor; ich kann nicht ganz hin zu Dir. Halte aber fest!"

Er wandte seine letzte Kraft an, um seinen Körper in die Höhe zu schnellen; ich zog zu gleicher Zeit scharf an, und es gelang - er lag auf der sichern Decke des Sumpfes. Kaum hatte er Atem geschöpft, so erhob er sich auf die Knie und betete die vierundsechzigste Sure:

"Alles, was im Himmel und auf Erden ist, preiset Gott; sein ist das Reich, und ihm gebührt das Lob, denn er ist aller Dinge mächtig!"

Er, der Muselmann, betete; ich aber, der Christ, ich konnte nicht beten, ich konnte keine Worte finden, wie ich aufrichtig gestehe. Hinter mir lag die fürchterliche Salzfläche so ruhig, so bewegungslos, so gleißend, und doch hatte sie unsere beiden Thiere, und doch hatte sie unseren Führer verschlungen, und vor uns sah ich den Mörder entkommen, der dies Alles verschuldet hatte! Jede Faser zuckte in mir, und es dauerte eine geraume Weile, bis ich ruhig wurde.

"Sihdi, bist Du verwundet?"

"Nein. Aber Mensch, auf welche Weise hast Du Dich gerettet?"

"Ich sprang vom Pferde, grad wie Du, Effendi. Und weiter weiß ich nichts. Ich konnte erst dann wieder denken, als ich dort am Rande hing. Aber wir sind nun dennoch verloren."

"Warum?"

"Wir haben keinen Führer. O, Sadek, Freund meiner Seele, Dein Geist wird mir verzeihen, daß ich Schuld an Deinem Tode bin. Aber ich werde Dich rächen, das schwöre ich Dir bei dem Barte des Propheten; rächen werde ich Dich, wenn ich nicht hier verderbe."

"Du wirst nicht verderben, Halef."

"Wir werden verderben, wir werden verhungern und verdursten."

"Wir werden einen Führer haben."

"Wen?"

"Omar, den Sohn Sadek's."

"Wie soll er uns hier finden?"

"Hast Du nicht gehört, daß er nach Seftimi gegangen ist und heute wieder zurückkehren wird?"

"Er wird uns dennoch nicht finden."

"Er wird uns finden. Sagte nicht Sadek, daß der Weg nach Seftimi und nach Fetnassa auf zwei Drittheile ganz derselbe sei?"

"Effendi, Du gibst mir neue Hoffnung und neues Leben. Ja, wir werden warten, bis Omar hier vorüberkommt."

"Für ihn ist es ein Glück, wenn er uns findet. Er würde hier hinter uns untergehen, da der frühere Pfad versunken ist, ohne daß er es weiß."


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